Acht Jahre Warten. Unzählige Theorien. Und dann endlich der Moment, in dem das ikonische Helmvisier wieder aufleuchtet. Retro Studios liefert tatsächlich ein neues Metroid Prime. Und zwar eines, das sich gleichzeitig mutig, verspielt, widersprüchlich und zutiefst vertraut anfühlt. Metroid Prime 4 Beyond ist kein glatter Neustart, kein radikaler Umbruch und schon gar kein reiner Nostalgietrip. Stattdessen ist es ein Spiel, das sich anfühlt, als wäre es direkt aus der goldenen GameCube-Ära herübergezogen worden und hätte unterwegs ein paar moderne Features aufgesammelt, die mal besser, mal schlechter in die DNA der Reihe hineinpassen. Das Ergebnis ist ein Metroid, das Fans lieben werden. Trotz einiger Designentscheidungen, die wie Sand im Getriebe knirschen.
Blockbuster-Auftakt: Metroid goes Hollywood
Prime 4 wirft uns ohne Umschweife in ein visuelles Feuerwerk, das man so in der Reihe noch nie gesehen hat. Statt schleichender Erkundung starten wir in einer groß inszenierten Schlacht, in der die Föderation ihre Stellungen gegen eine Armee von Space Pirates verteidigt. Explosionen illuminieren den Himmel, Samus pariert Laserfeuer im Sekundentakt, und die Kamera präsentiert all das mit einem Selbstbewusstsein, das beinahe an ein modernes AAA-Shooter-Intro erinnert. Für viele Fans dürfte dieser Einstieg eine Überraschung sein, denn er rückt Metroid spürbar näher an cineastische Sci-Fi-Action heran.
Doch sobald der Bombast abflaut und Samus auf dem fremden Planeten strandet, zieht das Spiel einen eleganten Schwenk zurück zu seinen Wurzeln. Die trostlose, geisterhafte Welt, die Überreste der Lorn-Zivilisation und die fragilen Spuren ihrer Kultur entfalten sofort eine vertraute Atmosphäre. Das Storytelling ist minimalistisch, aber kraftvoll: keine endlosen Dialoge, keine überladenen Zwischensequenzen, sondern kleine, klug platzierte Fetzen Lore. Der melancholische Grundton entsteht zwischen den Zeilen. Und genau dort blüht Metroid traditionell am stärksten. Die Mischung aus großem Spektakel und gedämpfter Mysterystimmung sorgt dafür, dass sich Prime 4 von Beginn an frisch, aber dennoch eindeutig Prime anfühlt.
Gefährten im Gepäck: Charmant, nervig, unnötig?
Ja, Samus ist diesmal nicht allein und das sorgt sofort für Diskussionen. Die Föderationssoldaten, die ihr im Verlauf der Kampagne zur Seite stehen, sind mal charmant-naiv, mal kompetent, mal einfach nur überdreht. Einige wirken wie klassische Militärkarikaturen, andere wie nervöse Fanboys, die kaum fassen können, dass sie mit der legendären Kopfgeldjägerin auf Mission gehen dürfen. Diese Begleiter lockern manche Sequenzen auf und verleihen dem Spiel einen neuen erzählerischen Rhythmus, der nicht komplett fehl am Platz wirkt. Die Interaktionen haben gelegentlich sogar etwas Warmherziges, das man in der Metroid-Reihe so nicht kennt.
Doch so mutig die Idee auch ist, sie hat einen hohen Preis. Zu oft funken die Begleiter Hinweise, die man nicht braucht, oder noch schlimmer: Hinweise, die man eigentlich selbst herausfinden möchte. Ihr Tonfall und ihre Persönlichkeit passen nicht immer in das düster-minimalistische Universum, das Metroid üblicherweise pflegt, und Samus’ totale Wortlosigkeit sorgt in diesen Momenten für ungewollte Komik. Gespräche wirken einseitig wie ein defektes Walkie-Talkie, das nur in eine Richtung funktioniert. Dazu kommen Gameplay-Situationen, in denen man die Gefährten wiederbeleben oder schützen muss, was den Erkundungsfluss hemmt. Zwar fängt sich Prime 4 später und erlaubt ausgedehnte Phasen stiller Solo-Erkundung, aber der Kernkonflikt bleibt: Die Begleiter bringen frischen Wind, reißen aber auch ungewollt Löcher in die Atmosphäre.
Die große Wüste: Viel Fläche, wenig Seele
Metroid Prime und offene Oberweltareale: das klang zunächst wie eine mutige, vielleicht sogar notwendige Evolution. Doch die Realität ist komplexer. Die riesige Wüste, die als zentraler Hub dient, wirkt auf den ersten Blick imposant. Dünen, Felsformationen und gigantische Ruinen ragen aus der Landschaft und vermitteln ein Gefühl von Weite, das durchaus beeindruckend sein kann. Die Orientierung fällt leicht, denn markante Landmarken ragen wie Inseln aus dem Sandmeer und geben dem Areal eine klare Geografie. Atmosphärisch gelingt der Wüste damit ein gelungener Start.
Aber sobald man tiefer hineinfährt, wird klar: Sie ist groß, aber nicht bedeutungsvoll. Ihre Weite ist inhaltlich kaum gefüllt. Die wenigen Gegner wiederholen sich ständig, viele Wege führen ins Leere, und Überraschungen sind rar. Statt sich wie ein organischer Teil der Welt anzufühlen, wirkt die Wüste wie ein gestrecktes Bindeglied zwischen den Dungeons. Der Meta-Quest rund um grüne Kristalle, die man zerschlagen muss, zieht die offenen Flächen zusätzlich in die Länge. Anfangs stört dies kaum, später muss man jedoch gezielt farmen, was den Spielfluss deutlich abbremst. Statt moderner, dynamischer Open-World-Erkundung liefert die Wüste ein repetitives Hin und Her und wirkt so eher wie ein Relikt schlechterer Designzeiten als ein Meilenstein der Serie.
Viola: Ein Motorrad zum Liebhaben… fast
Viola, das schlanke Motorrad, gehört zu den auffälligsten Neuzugängen in Prime 4. Zu Beginn fühlt es sich fast wie ein Fremdkörper an. Die Steuerung wirkt ungewohnt, die Kurven eng, die Beweglichkeit begrenzt. Doch mit der Zeit wächst einem der futuristische Untersatz ans Herz. Sobald man Grip bekommt, sind die Lenkmanöver angenehm präzise, und die Geschwindigkeit, auch wenn sie optisch zurückhaltender wirkt als auf dem Tacho, vermittelt ein durchaus befriedigendes Reisegefühl. Die Idee, Samus mit einem persönlichen Fahrzeug auszustatten, besitzt Charme und erweitert die Identität der Heldin auf ungewohnte Weise.
Doch auch Viola leidet unter der Einöde der Wüste. Die Möglichkeiten, das Bike sinnvoll einzusetzen, bleiben stark begrenzt. In Dungeons wird es nahezu nie gebraucht, und die Wüste bietet zu wenig Interaktion, um die Mechanik voll auszureizen. Während andere Spiele Motorräder nutzen, um neue Gameplay-Schichten zu erschließen, bleibt Viola in Prime 4 eher ein Transportmittel ohne echten Mehrwert. Es fühlt sich an wie ein cooles Gadget, das dringend eine bessere Sandbox gebraucht hätte. Die Idee wäre vieles wert, doch das Spiel gibt ihr nur selten die Chance zu glänzen.
Die Dungeons: Prime in Bestform
Sobald Samus die Wüste hinter sich lässt und einen der fünf Dungeons betritt, offenbart Prime 4 sein eigentliches Herzstück. Hier spielt die Reihe ihre größten Stärken aus. Jedes Gebiet besitzt eine unverwechselbare Stimmung, einen klaren mechanischen Fokus und eine beeindruckende Mischung aus Erkundung, Rätseln und Kämpfen. Ob frostige Einöde, glühende Industrieanlagen oder verwachsene Dschungeltempel: die Dungeons sind visuell eindrucksvoll und spielerisch dicht konzipiert.
Was besonders heraussticht, ist der Tempo- und Stimmungswechsel innerhalb der Gebiete. Manche Abschnitte erzeugen pure Isolation. Andere drängen Samus in bedrückende, labyrinthische Maschinenlandschaften. Und wieder andere fordern aggressivere Kampfstrategien, fast schon im Stil eines Squad-Shooters. Trotz dieser Vielfalt bleiben die Dungeons strukturell klar verständlich. Der Fortschritt wirkt fokussiert, ohne die Serie ihrer Erkundungsfreude zu berauben. Dazu kommen hervorragend inszenierte Bosskämpfe, die oft clever genug sind, um Lernkurven zu belohnen, statt reine Bullet-Sponges zu sein. In diesen Momenten fühlt sich Metroid Prime 4 wie die würdige Fortsetzung an, auf die Fans seit Jahren hoffen.
Rätsel, Upgrades und Fortschritt: Solide, aber zu altbacken
Die neuen psychischen Fähigkeiten gehören zu den spannendsten Mechaniken des Spiels. Mit ihnen kann Samus Energiegeschosse lenken, Objekte manipulieren und komplexere Aktivierungsprozesse auslösen. Diese Elemente eröffnen frische Puzzleansätze, die zwar nicht revolutionär, aber durchaus bereichernd sind. Einige Aufgaben wirken kreativ und sind visuell ansprechend inszeniert. Die Integration psychischer Kräfte in die Welt der Lorn wirkt thematisch gelungen.
Doch nicht alle Mechaniken können dieses Niveau halten. Viele klassische Upgrades wirken erstaunlich konservativ. Der Doppelsprung, der Grapple oder neue Elementarwaffen erfüllen fast ausschließlich ihre Schlüsselfunktion: sie öffnen Türen, heben Plattformen an oder aktivieren Module. Das wäre vor 15 Jahren vollkommen ausreichend gewesen, wirkt heute aber etwas störrisch. Moderne Metroidvanias haben vorgemacht, wie sich Upgrades in Kampfsysteme, Durchquerungen und Rätsel dynamisch einbinden lassen. Prime 4 bleibt hier zu oft beim Einsteiger-Design. Rätsel wirken dadurch gelegentlich vorhersehbar, und viele Upgrades laufen spielerisch ins Leere. Man spürt, dass das Spiel versucht, die Balance zwischen Nostalgie und Fortschritt zu halten. Doch gerade hier hätte ein mutigerer Schritt in Richtung Moderne gutgetan.
Kampf: Nostalgisch gut, aber zu einseitig
Die Prime-Kampfformel ist zurück und fühlt sich immer noch erstaunlich frisch an. Das Lock-On-System ist präzise, Samus bewegt sich flinker als je zuvor, und die Gefechte haben einen angenehmen Retrocharme, der an die GameCube-Teile erinnert, ohne altmodisch zu wirken. Die Performance der Switch 2 trägt zudem enorm zum Flow bei: stabile Bildraten, kurze Reaktionszeiten und klar lesbare Bewegungsmuster machen das Kämpfen zu einem Vergnügen, das vor allem in Bossfights seine volle Stärke entfaltet.
Doch das reguläre Gegnerdesign kann da nicht mithalten. Die Anzahl der Feindtypen ist überraschend gering. Viele Gefechte laufen nach wenigen Stunden identisch ab. Besonders in der späten Spielhälfte wird deutlich, dass dem Gegnerarsenal etwas die Kreativität fehlt. Die Folge sind repetitive Kämpfe, die im Kontrast zu den großartigen Bossen beinahe blass aussehen. Der Kern des Systems funktioniert, aber es fehlt an frischen Ideen, die Kämpfe langfristig spannend halten würden. Die solide Basis ist da doch sie bekommt zu wenig Gelegenheit, sich weiterzuentwickeln.
Technik: Das schönste Nintendo-Spiel bisher?
Retro Studios haben Metroid Prime 4 technisch zu einem echten Vorzeigeprojekt gemacht. Auf der Switch 2 wirkt Beyond immer wieder beeindruckend: volumetrische Beleuchtung, klare Materialeffekte auf Samus’ Rüstung, gestochen scharfe Visor-Projektionen und Szenen, die man in einem Nintendo-First-Party-Titel so noch nicht gesehen hat. Das 4K-60fps-Modell wirkt sauber, kontrastreich und modern. Die optionalen 120fps geben dem Gameplay eine butterweiche Dynamik, die perfekt zu den schnellen Ausweichbewegungen passt.
Auch das Sounddesign verdient Applaus. Waffen klingen wuchtig, Umgebungen hallen bedrohlich oder majestätisch nach, und die Musik trägt an den richtigen Stellen, ohne sich aufzudrängen. Die Switch-1-Version kann hier erwartungsgemäß nicht ganz mithalten. Texturen sind matschiger, Effekte stark reduziert, und die Atmosphäre verliert dadurch etwas an Tiefe. Dennoch bleibt sie spielbar. Die wahre Erfahrung ist allerdings eindeutig auf der Switch 2 zuhause, wo das Spiel visuell wie akustisch seine maximalen Stärken ausspielt.
Fazit: Ein starkes Prime, nur kein perfektes
Metroid Prime 4 Beyond ist ein Spiel, das Fans seit Jahren herbeisehnen, und in seinen besten Momenten liefert es genau das, was man sich erhofft hat. Die Dungeons gehören zu den atmosphärischsten und spielmechanisch dichtesten Gebieten der gesamten Serie. Der Bosskampf-Fokus sitzt, die Technik brilliert, und wenn Samus allein durch verlassene Anlagen streift, ist Prime 4 pure Videospielmagie.
Doch gleichzeitig hemmt sich das Spiel mit strukturellen Fehlentscheidungen. Die offene Wüste wirkt wie Fremdkörper und Bremse zugleich. Die Begleiter lockern zwar manche Sequenz auf, verwässern aber oft den Ton. Und die altmodischen Upgrade-Designs lassen das Metroidvania-Kerngerüst unnötig steif wirken. Prime 4 ist damit eine einzigartige Mischung aus herausragenden Höhepunkten und unerwarteten Dellen.
Es ist ein richtig gutes Spiel, manchmal sogar ein großartiges. Aber keines, das den legendären Dreiklang der Prime-Trilogie mühelos übertrifft. Für Veteranen ist es dennoch ein emotionales Wiedersehen, für Neulinge ein Einstieg mit Ecken und Kanten, aber viel Atmosphäre, und für die Reihe insgesamt ein Schritt nach vorn, der Mut macht aber auch zeigt, dass der nächste Sprung vielleicht etwas größer ausfallen sollte.
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Test
Metroid Prime 4 Beyond
Metroid Prime 4 Beyond ist ein atmosphärisch starkes und technisch beeindruckendes Comeback. Die brillanten Dungeons überzeugen voll, doch die große Wüste und altmodische Fortschrittssysteme bremsen das Erlebnis. Ein starkes, aber nicht perfektes Prime.
PROS
- Herausragende Dungeons mit starker Atmosphäre
- Exzellente Technik und Art-Direction
- Sehr gute Boss-Fights
- Klassisches Prime-Feeling
CONS
- Zähe und leere Wüsten-Oberwelt
- Gegner sehr einseitig
- Altbackene Upgrades
- KI-Begleiter



















