Wenn es eine Serie im Kopfhörer-Universum gibt, die seit Jahren als gesetzt gilt, dann ist es die WH-1000X-Reihe von Sony. Egal ob Vielflieger, Großraumbüro-Überlebenskünstler oder einfach nur Musikliebhaber – bei Over-Ear-ANC war Sony bisher so etwas wie die sichere Bank. Mit den neuen WH-1000XM6 will der Hersteller noch mal eine Schippe drauflegen – und wir haben die Teile über mehrere Wochen im Alltag, im Flieger und auf der Couch getestet.
Design & Verarbeitung – leichter, faltbarer, reisetauglicher
Sony hat aus der Kritik am XM5 gelernt. Das starre Gehäuse ohne Klappmechanismus? Geschichte. Die XM6 lassen sich wieder kompakt zusammenfalten und verschwinden in einem deutlich kleineren, magnetisch schließenden Case. Für Pendler und Vielreisende ein echter Segen – zumal das Case zwar platzsparend ist, aber gerne noch eine Spur kleiner hätte ausfallen dürfen.
Mit rund 250 Gramm sind die Kopfhörer angenehm leicht. Das Material bleibt Kunststoff, wirkt aber hochwertig und ist ordentlich verarbeitet. Die Bügel sind etwas breiter geworden, die Größenverstellung erfolgt stufenlos. Das sitzt bequem – allerdings mit recht strammem Anpressdruck. Für Brillenträger kein Problem, aber man vergisst nie ganz, dass man die Kopfhörer trägt. An warmen Tagen kann’s unter den Lederpolstern schnell schwitzig werden. Hier sind leichtere oder luftiger gepolsterte Modelle wie Dyson OnTrac oder AirPods Max (trotz höherem Gewicht) in puncto Tragekomfort einen Tick angenehmer – dafür aber klobiger.
Optisch bleibt Sony seinem eleganten Understatement treu. Schwarz, Dunkelblau oder ein dezentes Platin-Grau stehen zur Auswahl. Fingerabdrücke bleiben auf der matten Oberfläche relativ unauffällig, und auch nach mehreren Wochen Einsatz zeigen sich kaum Abnutzungserscheinungen.
Kleiner Wermutstropfen: Die Gelenke der Faltmechanik sind relativ scharfkantig. Wer unachtsam ist, kann sich beim Auf- oder Zuklappen tatsächlich mal einklemmen – kein Drama, aber eine Design-Sache, die man besser lösen könnte.
Klang – warm, bassbetont und anpassbar
Out of the box liefern die XM6 den typischen Sony-Sound: warm, mit kräftigem, aber kontrolliertem Bass. Besonders Hip-Hop, Pop und elektronische Beats profitieren von der satten Tiefton-Performance, während Stimmen klar und präsent wirken. Höhen sind angenehm definiert – ohne Schärfe oder Zischeln. Für Klassik, akustische Aufnahmen oder Jazz darf man gerne in der Sony Headphones Connect App zum Equalizer greifen, um die Abstimmung neutraler oder genrespezifisch anzupassen.
Der Equalizer bietet zahlreiche Presets und manuelle Einstellungen. Änderungen greifen unmittelbar, sodass man innerhalb von Sekunden vom wuchtigen Hip-Hop-Setup auf eine luftige, höhenbetonte Signatur wechseln kann. Für Experimentierfreudige gibt es zudem Spezialmodi wie den „Hintergrundgeräusch“-Modus (simuliert Café- oder Restaurant-Atmosphäre) oder einen Kino-Modus mit breiterer Stereobühne und betontem Raumklang. Gerade der Kino-Modus kann Filmmusik und Soundtracks spürbar immersiver machen, wirkt bei Pop allerdings manchmal etwas distanziert.
Interessant ist, dass sich der Klangcharakter mit aktiviertem ANC leicht verändert: Bässe wirken noch etwas satter, Stimmen rücken minimal in den Vordergrund, und die Gesamtabstimmung wird wärmer. Vermutlich passt die interne Signalverarbeitung den Frequenzgang an, um den Verlust durch die Geräuschunterdrückung auszugleichen. Der Effekt ist subtil, aber bei längerem Hören durchaus bemerkbar und für viele Genres sogar angenehm.
ANC & Transparenzmodus – Referenzklasse mit Mini-Abstrichen
Beim Active Noise Cancelling fährt Sony noch mal eine Schippe mehr auf als beim XM5 – und das war schon exzellent. Zwölf Mikrofone (vorher acht) filtern Außengeräusche extrem effektiv und reagieren dabei blitzschnell auf wechselnde Umgebungen. Tiefe und mittlere Frequenzen werden so gut wie vollständig eliminiert – selbst das Dauerbrüllen eines Babys im Flieger oder das monotone Rattern eines ICE verschwinden hinter einer dichten Wand aus Stille und Musik.
Auch in belebten Cafés oder im Großraumbüro sorgt das ANC dafür, dass man in seine Playlist oder den Videocall eintauchen kann, ohne ständig an der Lautstärke zu drehen. Stimmen in höheren Frequenzen dringen – wie bei allen ANC-Kopfhörern – noch leicht durch, aber das Gesamtniveau ist branchenführend. Ob Flugzeug, Bahn, Bus oder Büro: Der Unterschied zu anderen Premium-Modellen ist spürbar und macht sich gerade auf langen Reisen bezahlt.
Der Transparenzmodus ist ebenfalls stark und liefert ein klares, weitgehend unverfälschtes Klangbild der Umgebung. An den natürlichen Klang der AirPods Max kommt er zwar nicht ganz heran, aber Durchsagen am Gate, Gespräche an der Haustür oder schnelle Abstimmungen im Büro meistert er problemlos. Aktivieren lässt er sich per Taste oder durch Handauflegen auf die rechte Ohrmuschel – letzteres ist besonders praktisch für kurze Interaktionen. Ein leichtes Grundrauschen ist hörbar, fällt im Alltag aber selten störend auf.
Bedienung & Funktionen – Touch bleibt, Tasten fehlen
Die Steuerung der WH-1000XM6 erfolgt auf der rechten Ohrmuschel über ein Touchfeld. Ein einfaches Tippen startet oder pausiert die Wiedergabe, Wischgesten nach oben oder unten regeln die Lautstärke, horizontales Wischen springt zum nächsten oder vorherigen Track, und ein Gedrückthalten erlaubt ein schnelles Vor- oder Zurückspulen innerhalb eines Songs. Auf der linken Seite sitzen zwei physische Tasten – eine für das Ein- und Ausschalten beziehungsweise das Bluetooth-Pairing, und eine, um zwischen ANC- und Transparenzmodus zu wechseln. Insgesamt reagiert die Touch-Bedienung sehr zuverlässig, auch wenn man in manchen Situationen – etwa mit Handschuhen – klassische Knöpfe nach wie vor zu schätzen weiß.
Darüber hinaus beherrschen die Kopfhörer einige praktische Zusatzfunktionen. So können sie sich dank Multipoint gleichzeitig mit zwei Geräten verbinden, erkennen automatisch, wenn man sie absetzt oder wieder aufsetzt, und verfügen über einen 3,5-mm-Klinkenanschluss für den kabelgebundenen Betrieb. Unterstützt werden wichtige Bluetooth-Codecs wie LDAC, AAC und SBC, was für eine hohe Audioqualität sorgt. Ein kleines Manko: Die Übertragung von Audio direkt über den USB-C-Anschluss ist nicht möglich – ein Feature, das in dieser Preisklasse inzwischen fast zum Standard geworden ist.
Die begleitende App ist insgesamt übersichtlicher geworden, lässt jedoch weiterhin einige wichtige Einstellungen, etwa den Equalizer, in tiefen Untermenüs verborgen.
Akku & Laden – Langstrecken-tauglich
Sony verspricht 30 Stunden Laufzeit mit aktiviertem ANC (und sogar 40 Stunden ohne aktive Geräuschunterdrückung). In der Praxis lässt sich dieser Wert durchaus bestätigen: Bei mittlerer Lautstärke kommt man locker auf 25 bis 30 Stunden, was für mehrere Interkontinentalflüge oder eine komplette Arbeitswoche ohne Nachladen reicht. Selbst wer den Kopfhörer täglich mehrere Stunden nutzt, muss das Ladekabel nur selten in die Hand nehmen.
Aufgeladen wird der Akku per USB-C in etwa drei bis vier Stunden. Wer es eilig hat, profitiert von der integrierten Schnellladefunktion: Bereits nach zehn Minuten am Strom stehen wieder mehrere Stunden Musikgenuss zur Verfügung – ideal, wenn man kurz vor der Abfahrt noch merkt, dass der Akku leer ist.
Besonders erfreulich ist, dass der Akku seine Ladung auch im Standby-Betrieb sehr gut hält. Selbst nach mehreren Tagen Nichtnutzung ist der Ladezustand kaum gefallen – ein Detail, das überraschend viele Hersteller nicht sauber umsetzen und das im Alltag einen echten Unterschied macht.
Nicht alles ist perfekt
So stark die XM6 auch sind, gibt es dennoch einige Punkte, die man kritisch sehen kann. Der Preis etwa liegt mit einer UVP von 450 Euro auf einem hohen Niveau. Zwar ist diese Preisstabilität typisch für Sony, doch wer Geduld hat, wird mittelfristig sicher attraktive Angebote finden. Auch die Materialwahl verdient eine Anmerkung: Der verwendete Kunststoff wirkt zwar hochwertig, doch in dieser Preisklasse hätte ein Hauch Metall oder Carbon dem Premium-Anspruch zusätzlichen Glanz verliehen. Der Sitz ist insgesamt bequem, könnte für manche Köpfe aber etwas zu stramm ausfallen – besonders an warmen Tagen, wenn es unter den Polstern ohnehin schnell warm wird. Schließlich verzichtet Sony auf die Möglichkeit, Audio direkt über den USB-C-Anschluss zu übertragen. Dieser bewusste Schritt ist bei einem Topmodell etwas unverständlich, zumal viele Konkurrenten diese Option mittlerweile standardmäßig bieten.
Fazit – das Maß der Dinge bei ANC
Die Sony WH-1000XM6 sind aktuell die Messlatte im Bereich der ANC-Over-Ears. Sie vereinen einen klanglich ausgewogenen, druckvollen Bass mit einer klaren Mitten- und Höhenwiedergabe, die selbst anspruchsvolle Hörer zufriedenstellt. Das Referenz-Noise-Cancelling sorgt dafür, dass störende Umgebungsgeräusche fast vollständig verschwinden, während die hohe Akkulaufzeit und die solide Verarbeitung sie zu einem verlässlichen Begleiter machen. Besonders erfreulich ist, dass Sony den praktischen Klappmechanismus wieder eingeführt hat, der den Transport im Alltag oder auf Reisen deutlich erleichtert.
Gerade für Vielflieger, Pendler oder alle, die regelmäßig in lauten Umgebungen arbeiten, bieten sie einen spürbaren Mehrwert: lange Hörsessions ohne Unterbrechung, ein hohes Maß an Komfort und die Flexibilität, zwischen kabelloser und kabelgebundener Nutzung zu wechseln. Wer hingegen sparen möchte, findet im XM5 eine immer noch exzellente, aber beim ANC etwas schwächere Alternative, die zudem auf den Faltmechanismus verzichtet. Für Puristen, die das absolute Maximum an Stille und Klangqualität suchen, bleibt der XM6 jedoch klar die erste Wahl.
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Test
Sony WH-1000XM6
Sonys WH-1000XM6 überzeugt mit erstklassiger Geräuschunterdrückung, ausgewogenem, bassstarkem Klang und durchdachtem Design. Die lange Akkulaufzeit und der praktische Klappmechanismus machen ihn besonders reisetauglich. Ein hoher Preis und kleinere Komfortschwächen bleiben die einzigen wirklichen Kritikpunkte.
PROS
- Bestes ANC am Markt
- Satte, anpassbare Klangsignatur
- Leicht, klappbar, reisetauglich
- Lange Akkulaufzeit
- Multipoint und Klinkenanschluss
CONS
- Hoher Preis
- Kein USB-C-Audio
- Etwas strammer Sitz
- Kunststoff statt Premium-Materialien