Elf Jahre nach Donkey Kong Country: Tropical Freeze greift Nintendos Urviech endlich wieder nach den Bananen – und gleich nach der Krone des 3D‑Jump-&‑Runs. Donkey Kong Bananza ist das erste große Prestige‑Projekt für die Nintendo Switch 2 und kommt vom selben Entwickler‑Team, das 2017 mit Super Mario Odyssey die Latte hochgelegt hat. Schon nach wenigen Spielstunden ist klar: Die Latte wird nicht nur übersprungen, sondern mit kantigem Lachen weggeschleudert.
Was sofort auffällt: der neue Ton. Bananza ist witziger, anarchischer, lauter. Donkey Kong grummelt nicht mehr nur, sondern spricht – in einer Art Grummel-Slang, der irgendwie zwischen Bayrisch und Brooklyn schwankt. Pauline als Sidekick bringt nicht nur Charme und Kontrast, sondern auch clevere Querverweise auf DKs Arcade-Wurzeln.
Handlung: Tief nach unten, hoch hinaus
Weil auf der Ingot‑Insel plötzlich güldene Bananen sprießen, stürzt sich Donkey in einen Goldrausch. Doch die zwielichtige Void Co. will nicht nur das Obst, sondern auch den sagenhaften Planetenkern, der Wünsche erfüllen soll. Unterstützung erhält der Affe von Pauline – einem 13‑jährigen Mädchen, das unter dem Pseudonym Oddrock ihre ganz eigene Mission verfolgt. Die Story ist klassisch Nintendo: simpel, aber charmant und garniert mit einer Handvoll Überraschungen – inklusive eines Finales, das zu den spektakulärsten gehört, die je in Kyoto entstanden sind.

Dabei geizt Bananza nicht mit Cutscenes – rund zwei Stunden Filmsequenzen mit teils überraschender Tiefe und Dynamik treiben die Geschichte voran. Das neue Cinematic-Team scheint sich hier an Pixar light orientiert zu haben – inklusive eines Mid-Credit-Twists, der Bananza vielleicht sogar in ein neues Franchise heben könnte.
Spielstruktur: Schichten statt Welten
Anstelle klassischer Welten beackern wir „Schichten“. Diese vertikalen Biome – vom Korallenriff bis zum Eisgletscher – hängen wie Zwiebelschalen übereinander. Jede Schicht besitzt ihren eigenen „Twist“: In der Lagune lassen wir Ranken schießen, im Strand‑Areal schweben wir dank Abhebium durchs Blau, in der Waldschicht pflanzen wir uns buchstäblich einen Weg frei. Kaum glauben wir, alles gesehen zu haben, fährt Nintendo im zweiten Akt noch groteskere Settings auf – darunter eine unterirdische Bananenfabrik mit dreidimensionalen Förderband-Puzzles und eine Geistermine, in der man nur hört, was man sehen soll.
Spielerisch lebt Bananza vom Prinzip der kreativen Eskalation: Was als simpler Plattform-Spaß beginnt, wird zunehmend offener, experimenteller – ja fast schon immersiv-sim-esk. Es gibt alternative Routen, geheime Layer, versteckte Minispiele und sogar eine Handvoll narrativer Sidequests, die in Tagebuchform von Paulines Perspektive erzählen.
Spielzeit, Nebenaufgaben & True Ending
Zwischen Haupt‑Mission, Nebenquests und frei herumlungernden Sammelstücken ist Ablenkung Programm. Wer nur der Lösungsfaden‑Quest folgt, rauscht in gut zehn Stunden auf den Abspann zu – wer hingegen jeden Winkel umgräbt, kratzt locker an der 50‑Stunden‑Marke. Completionists dürfen sich auf ein optionales „True Ending“ freuen, das mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet – aber umso mehr Stoff für eine Fortsetzung liefert.
Kernmechanik: Abrissbirne mit Schlips
Der eigentliche Star ist die Zerstörungs‑Physik. Donkey kann nahezu jedes Terrain abschlagen, herausreißen, zerbröseln oder zu Surfboards umfunktionieren. Hinter jeder Wand wartet eine „Oida, schau mal!“‑Belohnung – von Goldnuggets über Fossilien bis zu den allgegenwärtigen goldenen Bananen. Verschiedene Materialhärten sorgen dafür, dass nicht alles mit einem Faustschlag fällt: Sand zerbröselt Stein, Obsidian knackt Beton, Boom‑Rock sprengt so ziemlich alles.

Dieses Minecraft-meets-Odyssey‑Prinzip macht schon nach Minuten süchtig – und wächst stetig mit neuen Layern, Werkstoffen und Zerstörungs-Tools.
Donkey Kong kann nahezu jedes Terrain abschlagen, herausreißen, zerbröseln oder zu Surfboards umfunktionieren
Später lernen wir, zerstörbare Umgebungen gezielt zu manipulieren – etwa durch Resonanz-Schläge, die in Kettenreaktionen ganze Schichten destabilisieren. Kombiniert mit Bombenwürfeln oder der „Schallhand“ wird die Spielwelt zum interaktiven Puzzle-Körper, in dem logisches Denken genauso gefragt ist wie Reaktionsvermögen.
Kombos, Power-Ups & taktische Tiefe
Im späteren Spielverlauf kommen sogenannte Multi-Schläge ins Spiel – eine Art Kombo-System, das besonders bei Zeit-Challenges und Bossfights eine taktische Note bringt. Wer fünf Objekte mit einem Schlag verbindet, erhält einen Power-Kick – wer dabei noch Banandium auflädt, kann sogar ganze Layer umstrukturieren.

Je präziser der Einschlag, desto effektiver die Kette. Dazu kommen Modifikatoren wie der Magnet-Kick oder der „Boom-Drift“, mit dem man sich durch festes Gestein schlängelt. Wer will, kann sogar ein zerstörbares Katapult basteln, um sich in schwer erreichbare Bereiche zu katapultieren.
Bananzas: Tierisch gute Verwandlungen
Passend dazu spendiert Nintendo situative Bananza‑Formen. Als Riesen‑Kong zerlegen wir selbst Obsidian, als Zebra sprinten wir über bröckelnde Böden, als Strauß gleiten wir elegant über Abgründe. Später kommen noch abgedrehtere Formen dazu – etwa der Wurm-Kong, der sich durch enge Gänge bohrt, oder der Tarn-Kong, der Gegner per Bananduft austrickst. Per Knopfdruck wechseln wir nahtlos zwischen aktivierten Formen – solange die Bananergy‑Leiste gefüllt ist.
Das System ist nicht nur spielerisch clever, sondern auch humorvoll in Szene gesetzt. Jede Form hat ihre eigene Jingle, eigene Gestik – und eigene Abneigungen. So mag der Strauß kein Wasser, der Wurm kein Licht, der Riesen-Kong keine engen Gänge. Rätsel lassen sich dadurch teils auf mehrere Arten lösen, was Experimentierfreude belohnt. Besonders cool: Wer eine Form besonders oft nutzt, schaltet Bonusfähigkeiten frei – etwa einen Doppelsprung für den Strauß oder Tarnfelder für den Chamäleon-Kong.
Gameplay mit dem „Noch eine Banane, dann ab ins Bett“‑Effekt
Sammelwut, Belohnungsketten & Completionist-Träume
- Goldene Bananen: Fünfer‑Pakete schalten Skill‑Punkte für acht verzweigte Talentbäume frei – von längeren Verwandlungszeiten bis zu mehr Lebensherzen oder neuen Spezialmoves wie dem „Boom Drop“. Im späteren Spielverlauf lassen sich durch besonders seltene „Königsbananen“ sogar passive Teamfähigkeiten aktivieren, etwa Autoregen im Koop oder Schadensreduktion für Pauline.
- Fossilien: Die Knochenfunde dienen als Währung für kosmetische Items, aber auch für nützliche Upgrades – wie etwa einen Panzerhelm, magnetische Handgelenke oder eine Taschenlampe mit Bananduft. Besonders begehrt: die raren Dino-Kronen, die Spezial-Outfits freischalten, z. B. Donkey im Steinzeit-Look mit Bonus auf alle Abrissaktionen.
- Banandium‑Gems: Über 700 dieser funkelnden Edelsteine verstecken sich in Layern, Challenge-Zonen und Schatzkammern. Viele sind so raffiniert platziert, dass man Mechaniken bis an ihre Grenzen ausreizen muss – etwa durch Sprungverzögerungen oder Formwechsel mitten in der Luft. Einige Gems liegen in sogenannten „Spiegelschichten“, die erst nach dem ersten Durchlauf sichtbar werden.
Endgame, Statistik & Erkundungsreiz
Diese Spiralstruktur aus Belohnung, Progression und Entdeckung funktioniert fantastisch. Jeder Fund zahlt direkt in die Fähigkeitenentwicklung ein, jede abgeschlossene Liste motiviert zur nächsten – wie eine Banane, die nie ganz aufhört, süß zu sein. Wer gern alles sammelt, wird mit exklusiven Endgame-Challenges, freischaltbaren Entwickler‑Rätseln und absurd versteckten Geheimnissen belohnt – etwa einer Retro-Stage im Donkey Kong Jr.-Stil oder einem Mini-Kanonenkampf gegen eine goldene Krokodilarmee.
Besonders schön: Ein umfassendes Statistikmenü zeigt genau an, wo was fehlt – aber ohne konkrete Koordinaten. So bleibt das Gefühl der Entdeckung erhalten, ohne in Frust umzuschlagen. Für Completionists ist Bananza ein Fest – und für Speedrunner ein neues Eldorado voller Glitches, Skips und Highscore-Kultur.
Technik: Fast rund, manchmal stotternd
Optisch liefert Bananza ein knallbuntes Feuerwerk voller Partikeleffekte, liebevoller Animationen und Retro‑Anspielungen. Texturen sind gestochen scharf, Effekte wie Sandstürme oder Lavafontänen wirken beeindruckend plastisch. Besonders in den tieferen Layern sorgt das Beleuchtungssystem für kinoreife Szenen – inklusive dynamischer Schatten, reflektierender Oberflächen und partikelbasiertem Nebel. Das neue Wasser-Rendering gehört zum Besten, was wir auf der Switch je gesehen haben.

Sowohl im Docked‑ als auch im Handheld‑Modus hält die Switch 2 in 90 % der Fälle stabile 60 fps. Explodieren jedoch zu viele Boom‑Rocks gleichzeitig oder fliegt halbe Umgebung durch die Luft, sackt die Bildrate kurz auf rund 40 fps – technisch verschmerzbar, aber visuell auffällig, vor allem in der Geistermine oder bei Massenzerstörung im Vulkan-Level.
Ladezeiten, Bugs & Details
Die Ladezeiten sind angenehm kurz, selbst beim Schichtwechsel – meist unter fünf Sekunden. Auch Fast-Travel zwischen bereits erkundeten Arealen funktioniert flüssig. Im Testverlauf gab es keine Abstürze, nur einige kleinere Clipping-Fehler (z. B. Pauline rutscht durch eine Wandkante) und selten nicht ausgelöste Event-Trigger. Einmaliges Neuladen reichte in allen Fällen aus. Die Entwickler haben sichtlich Wert auf eine stabile Auslieferung gelegt – kein Day-One-Desaster in Sicht.
Soundtrack: Zwischen Banjo, Synths und Nostalgie
Die Soundkulisse: ein kleines Fest. Der neue Bananza-Soundtrack wurde von einem neu formierten DK-Audio-Team produziert und kombiniert klassische DK-Themen mit karibischem Flair, Synth-Wellen und gelegentlichen Banjo-Riffs. Besonders gelungen sind dynamische Wechsel – etwa wenn Donkey eine Höhle verlässt und das Stück im Sonnenlicht mit Xylophon-Flair neu aufblüht. Und wer ganz genau hinhört, entdeckt subtile Remixe aus DK64, Diddy Kong Racing oder sogar dem N64-Multiplayer Jet Force Gemini – ein Ohrenschmaus für Kenner und Nostalgiker.
Extras & Accessibility
- Koop: Zweiter Spieler übernimmt Pauline‑Cursor – hilfreich für Timing oder Navigation, aber kein vollwertiger Co‑Op-Modus.
- DK‑Artist‑Modus: Ein Mini-Game, bei dem man zerstörbare Blöcke bemalt oder graviert – erinnert an Mario Maker trifft Minecraft Creative.
- Assist‑Modus: Auto‑Heilung, längere Zeitlimits, Zielhilfe – alles separat einstellbar.
- Barrierefreiheit: Leider etwas unterentwickelt – keine Farbfilter, keine Text-to-Speech, minimale Untertitel-Optionen. Hier besteht Nachholbedarf.
Fazit – Ein Affentheater zum Verlieben
Donkey Kong Bananza ist kein bloßes Mario ohne Mütze, sondern eine mitreißende Evolution des 3D‑Plattformers. Die Abrissbirnen‑Mechanik trifft auf open‑ended Leveldesign, das jeden Meter zur Spielwiese macht. Trotz kleiner Schwächen in Technik und Balance entfaltet das Abenteuer dank Ideen‑Overkill, Sammel‑Sog und herzerwärmender Präsentation einen „Noch eine Banane, dann ab ins Bett“‑Effekt wie zuletzt Odyssey oder Tears of the Kingdom.

Nintendo zeigt hier, wie viel Saft noch in der Donkey-Kong-DNA steckt – und dass auch ein eher physiklastiges Spieldesign emotional fesseln kann. Für Neo‑Switch‑Besitzer ist Bananza ein Pick ohne Wenn und Aber – und selbst Mario darf sich warm anziehen. Eines ist auf alle Fälle klar: Jump‑&‑Run‑Fans haben hier einen heißen GOTY‑Kandidat vor sich,
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Test
Donkey Kong Bananza
„Donkey Kong Bananza“ ist Nintendo in Bestform: ein explosives, ideenreiches 3D-Jump-&-Run mit Zerstörungsdrang, Sammelwahn und Herz. Trotz kleinerer Macken ein echter Systemseller für die Switch 2 – und ein heißer Kandidat fürs Spiel des Jahres.
PROS
- Innovative Zerstörungs-Physik mit Spieltiefe
- Kreatives Leveldesign mit vertikalen Schichten
- Umfangreiche Sammelspirale & starkes Endgame
- Charmante Story mit überraschendem Finale
- Präzise Steuerung & viele Komfortoptionen
CONS
- Spürbare Frame-Drops bei Chaos-Szenen
- Einige Bananza-Formen zu selten genutzt
- Wiederverwertung mancher Bosskämpfe